Als Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge 1788 sein Buch „Über den Umgang mit Menschen“ veröffentlichte, hatte er eigentlich kein Manifest über die richtigen Anstandsregeln im Sinn, sondern wollte lediglich einige Resultate aus den Erfahrungen ziehen, die er während seiner ausgiebigen Reisen und verschiedensten Anstellungen an den Höfen und Burgen Deutschlands mit den Menschen aller Stände gemacht hat. Als Aufklärer und Schriftsteller war er unterwegs, hat die Leute in seinem Land beobachtet und deren Eigenarten herausgearbeitet. In vielen seiner Bücher, wie auch in seinem bekanntesten, machte er sich über die Umgangsformen an den Höfen lustig, die mehr Schein als Sein waren. Viele der Angehörigen waren zwar gut erzogen und trugen gute Manieren nach außen, vernachlässigten aber auch viele Normen heimlich.
Er selbst stammte aus einem adligen Geschlecht, beide Eltern starben allerdings, als Knigge noch ein Teenager war und hinterließen im einen riesigen Berg schulden, weshalb er Jura und Verwaltung studierte und anschließend in den verschiedensten Regionen angestellt war. Das prägte ihn und dementsprechend konnte er mit seinen Ansichten nur wenig mit den aufgesetzten Benimmregeln bei Hofe anfangen. Der Freiherr bezeichnet die herrschende Klasse damals als dekadent und korrupt. In seinem Buch geht es deshalb nicht um die angeblich korrekten Umgangsformen, sondern um wahren menschlichen Anstand, der auch in Zeiten des Wandels Halt und Orientierung gibt. Es kommt ihm darauf an, das man sich ungezwungen auf den Ton jeder Gesellschaftsschicht einlassen und nach den Ansichten, Temperamenten und Neigungen aller Menschen richten kann, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren oder sich verstellen zu müssen. Schmeichelei hält er dabei für schlechte und herablassend gegenüber einem selbst.
Heute hat sich der Knigge diese Ansätze in seinen Grundzügen erhalten. Es geht weiterhin um den richtigen Umgang mit anderen Menschen, allerdings wurde das Standardwerk verfeinert, erweitert und auf die heutige Gesellschaft angepasst. Dazu geht es mittlerweile auch im Wesentlichen um die Benimmregeln in allen Lebensbereichen. Der Geist von Freiherr Knigge ist aber weiterhin allgegenwärtig.